Lady Musgrave Reef CCCB installation view 2021 Barcelona, Science friction, living with companion species


Lady Musgrave Reef CCCB installation view 2021 Barcelona


Lady Musgrave Reef CCCB installation view 2021 Barcelona


Lady Musgrave Reef CCCB installation view 2021 Barcelona


Lady Musgrave Reef Detail CCCB installation view 2021 Barcelona


SCIENCE PICTIONS, watercolor on paper 2006


SCIENCE PICTION Alvinella pompejana 2008, watercolor, collage


OCTOPUS,1998 installationview CCCB Barcelona 2021

 

All Images by ©CCCB, Martí E. Berenguer, 2021

 

    

Lady Musgrave Reef in CCCB Barcelona

|| www.cccb.org >>
|| www.rtve.es >>
|| Thinking Like an Octopus >>

Although all organisms are, in one way or another, the result of symbiosis, corals are a classic example of symbiotic fusion, the result of the union between the genome of coral, which belongs to the kingdom ANIMALIA and the endosymbiotic algae, zooxanthellae, which trigger its photosynthesis. It is precisely the disappearance of these algae, due to the acidification and warming of the marine environment, which leads to the bleaching and death of corals due to their inability to capture the nutrients they need in order to live without their symbiont.
With their intertwining forms, that defy representation, corals attract artists who are interested in exploring the potential of art in scientific observation, a fertile cross-pollination of disciplines, of which Petra Maitz’s work is an early example.
Australia’s Great Barrier Reef, consists of a collection of crocheted coral scultures, begun in 2001 in collaboration with several helpers, hired by LADY MUSGRAVE REEF FOUNDATION, founded in Vienna in 2001.
The series Science Piction, which is part art illustration and part natural science notebook , describes the biology of corals and other symbiotic marine organisms, such as the Alvinella pompejana.

Maria Ptqk

 

Lady Musgrave Island; GBR Australia

Die Insel ist wie ein geschlossenes bzw. dissipatives System. Deswegen sind äquatoriale Inseln seit Darwins Erkenntnissen auf Galapagos, ideale Studienlabore der Korallenriffe und für die Evolutionstheorie so bedeutend. Für die Kunst können diese Inseln bedeutend sein, weil die evolutionären Bedingungen, unter denen sie sich entwickelt haben, es handelt sich um Millionen von Jahren, auch über zentrale Begriffe der Ästhetik und Kooperation von Vielen Auskunft geben können.
In der Arbeit Lady Musgrave Reef von Petra Maitz, die 2001 begonnen hat, widmet sich die österreichische Künstlerin dem WERDEN eines gehäkelten Riffs.
Mitunter ist es nicht allein die Skulptur als installatives Neudenken, sondern der erweiterte Kunstbegriff, den Petra Maitz als Wissenschaftlerin verfolgt.

Franziska Lesak kommentiert die Arbeit wie folgt:„Es sind die Querbezüge und im wahrsten Sinne des Wortes auch die Verstrickungen, die das Lady Musgrave Reef prägen. Dabei geht es Petra Maitz nicht um die Unmittelbarkeit der direkten Erfahrung, die Korallen unter Wasser zu beobachten, bzw. vor Ort gewesen zu sein. Man könnte meinen, dass der Abstand zum real Erlebten bewusst aufrechterhalten bleiben soll. Es liegt in der subjektiven Vorstellung, sich etwas zum Thema zu machen. Die Künstlerin nähert sich ihrem Gegenstand über Fotos, Geschichten und das Abzeichnen der Strukturen von Korallenarten, die dann in den laufenden künstlerischen Prozess einfließen. Diese Materialien sind etwas im Abseits situiert, bis auf den zentral platzierten Text über das ,Musgrave Ritual‘, der unmittelbar neben dem Korallenriff angebracht ist. Das Ritual, auf das angespielt wird, ist ein Text, an einer Wand des Ausstellungsraumes, in dem das gehäkelte Riff in verschiedenen Präsentationsformen gezeigt wird. Eine Schlüsselstelle im doppelten Sinn: Petra Maitz stieß zufällig auf die rätselhafte Detektivgeschichte ,Das Musgrave Ritual‘ (1893), das in den Memoiren des Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyle erschienen ist. Darin wird der Butler der Familie Musgrave tot aufgefunden, weil er ertappt wurde, als er das ,Musgrave Ritual‘ las und so dem Familiengeheimnis zu Nahe kam. Hier besteht kein direkter Zusammenhang, ein Gedankenkonstrukt wird zum Kunstgriff. Die nominelle Ähnlichkeit nominiert eine Assoziation, die wiederum ästhetische Produktion motiviert. Es geht um die Verwendung von Bestehendem, vielleicht auch Nebensächlichem und darum, was die subjektive Herangehensweise daraus macht, eben Spuren legen. An dieser Stelle ist es erwähnenswert, dass Sigmund Freud die Fälle von Sherlock Holmes mit großem Interesse verfolgte. (Carlo Ginzburg: „Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst“, Berlin 1995, vgl. das Kapitel: Spurensicherung. Der Jäger entziffert die Fährte, Sherlock Holmes nimmt die Lupe, Freud liest Morelli, S. 7–43). Vor diesem Hintergrund blicken wir zurück in das 19. Jahrhundert, in dem das Nebensächliche zu neuer Wertschätzung gelangte und die Rolle der Intuition für die Kriminalistik von hoher Relevanz war.“

Franziska Lesák 2006

Kein ideologischer, sondern ein ökonomischer Konflikt und ein Anliegen der Aisthesis wird im gehäkelten Riff zusammengefügt, ein detektivisches Suchen nach Einbettung des Geistes des Menschen in seine sozialen Systeme, das Natürliche im Gestenhaften rückerinnert und dabei sich selbst analysierend. Von allen Seiten bedroht, wuchert ein Handwerksentwurf inmitten der barocken und mitteleuropäischen Kultur. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ (heute als urban gardening weiterentwickelt) fordern wir und es erinnert alles an Joseph Beuys, an seine soziale Skulptur, seine „soziale Plastik“ in Kassel (1982).
7000 Eichen für Kassel ist aktueller denn je.[1] Die „grüne“ Politik ist längst etabliert und mit Nachhaltigkeit erringt sich die Kultur und die Kunst wieder einen Platz im Europa der heruntergewirtschafteten Kulturbudgets. Wenn nicht mahnende Worte von Stéphane Hessel[2] oder Bruno Latour aus Frankreich durchs Land gehen würden, es wäre mit Attac und Greenpeace als politische Agitatoren zu wenig getan. Ein Rückbesinnen auf die Idee der direkten Demokratie durch Volksabstimmung war eine von Johannes Stüttgen und Karl Fastabend am 19. Juni 1971 in Düsseldorf gegründete politische Organisation. Das Konzept des erweiterten Kunstbegriffs bzw. der sozialen Plastik sollte auch in der Politik umgesetzt werden, um dadurch gesellschaftliche Entwicklungen voran zu treiben. Die im Jahr 2012 geforderten Veränderungen der Attac-Gemeinschaft sind sehr ähnlich organisiert, auch die deutsche Linke hat ähnliche Ziele mit der direkten Demokratie, das Scheitern allerdings ist im Realentwurf bereits durch Querelen im Vorfeld der Parteikoordination zu sehen.

Durch den australischen Bergbau sind die Korallenriffe der Ostküste gefährdet, es werden große Hafenanlagen gebaut, die die natürliche Ordnung zerstören. Wissenschaftler haben eine Rekonstruktion im Labor begonnen, die Korallenstammsamen werden gefriergetrocknet und aufgehoben.
Christa Steinle: „Zu den Überlebenstechniken gehört auch die Kunst der Täuschung und der Tarnung. György Kepes, zusammen mit Laszlo Moholy-Nagy 1937 Gründer des ,New Bauhaus‘ in Chicago und später der ,School of Design‘ und 1967 des Instituts ,Center for Advanced Visual Studies‘ am MIT, hat 1941 bis 1942 einen ,Camouflage-Kurs‘ geleitet. Er hat die Mimikry in der Natur untersucht, um im Zeitalter des Krieges die Möglichkeiten des Überlebens der Menschen mit Hilfe von Ästhetik zu optimieren. Die Vorlesungsreihe ,Tarnung‘ in Chicago an der ,School of Design‘ über täuschende Farbschattierungen, täuschende Schattenreflexion, optische Täuschungen wie Perspektive, Masse, Bewegung durch die Verwendung von Scheinwerfern, Spiegelgeräten usw. hat das gesamte ästhetische Vokabular von Punkt, Linie, Farbe, Form, Licht in den Dienst eines geschützten Lebens gestellt.”[3]
In der Moderne war schon in den Vierzigerjahren in den USA eine biologische Fundierung der Schönheit angelegt. Die Funktion der Schönheit sollte dem Leben dienen, die Möglichkeiten des Lebens optimieren. Gleichzeitig wurde auch auf die soziale Erfahrung der Kunst und in ihrer kollektiven Konstruktion schon im Bauhaus Weimar 1919 der ästhetische Wert darin festgelegt, auch bezüglich der besonderen handwerklichen Umsetzungen. Naturwissenschaftliche und nicht nur rein künstlerische Methoden waren dazu notwendig, schreibt Christa Steinle.[4]
„Das Projekt ,Lady Musgrave Reef‘ von PM folgt dieser Programmatik. Die Massivität, die Kraft der Gruppe, der Zusammenschluss zu Interessensgemeinschaften ist der übliche Weg zur Verlautbarung und Bewusstmachung ökologischer Probleme. Die ,kritische‘ Masse im Lady-Musgrave-Reef-Projekt bilden die Heimarbeiterinnen, die gegen Entlohnung mit der Herstellung von Korallen in Handarbeit beauftragt wurden (der Widerspruch der steuerfreien Beschäftigung inbegriffen), die also unter der Anleitung der Kuratorin, aber auch nach eigenen Vorstellungen kollektiv an einem Kunstwerk mitarbeiteten[5]. Die Materialsammlung über die Koralle, die empirische Erfahrungssammlung mit Heimarbeit, der persönliche Kontakt und die Integrierung der Arbeit-NehmerInnen in den Gestaltungsprozess, öffneten über das Betriebssystem Kunst jene Kommunikationsebenen, die der Bewusstmachung und Etablierung von außerkünstlerischen – nämlich sozialen und gesellschaftspolitischen – Problemen dienten. Die Materialsammlung beinhaltete Landkarten der Original-Insel in Queensland Australien bis zu Notizen, Mitschnitten und Protokollen zu meeresbiologischen Fachkonferenzen. Wenn man schließlich die gesamte Arbeit als ein Netzwerk verschiedener Informationsebenen betrachtet, in dem es keinen Unterschied macht, ob kritische Heimarbeiter oder Wissenschaftler Samenspuren in Datenbanken sammelnd dem Kartographen zur Territoriumsbestimmung gegenüberstehen, so kann man sagen, dass es sich bei dem ganzen Unternehmen um eine Arbeit im Geist des Partizipationsprinzips, von parallelen Kulturen und sozialen Vergegenwärtigungen handelt, die eine neue Lebenswelt sowohl handwerklich als auch virtuell herstellen.

 

Anmerkungen:
[01] Die „7000 Eichen Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ waren 1982 das größte und teuerste Kunstwerk, das je auf einer documenta gezeigt worden war. Beuys ließ damals zur Kasseler Kunstausstellung 7000 Bäume pflanzen. Darunter waren nicht nur Eichen, sondern auch Linden oder Ahorn-Bäume. Jeder Baum bekam einen Granitfelsen zu seinen Füßen als Gegensatz zwischen Lebendem und Totem, Vergehenden und Ewigem. In den ersten Monaten waren aber bereits einige der jungen Bäume gefällt worden. Einer wurde umgefahren.
Beuys hatte sich für das damals fast 4,5 Millionen Mark teure Projekt verschuldet, viele Werke verkauft und sogar Werbung für japanischen Whiskey gemacht. Obwohl die Aktion den Kasseler Baumbestand verdoppelte, hatte es von Anfang an Proteste gegeben, unter anderem mit der Begründung, dass Parkplätze wegfielen. Das Ende der Pflanzaktion zur documenta 1987 hatte Beuys nicht mehr miterlebt. Er starb im Januar 1986. www.netzeitung.de, 12.5.2009
[02] Stéphane Hessel: Empört Euch!, Ullstein Verlag 2011
[03] Christa Steinle in Lady Musgrave Reef, Verlag Walther König Köln 2007, S.7
[04} Vgl. ebenda, S.8
[05] Vgl. Julia Fabenyi: “Versuch einer Entschlüsselung“ in Lady Musgrave Reef, hrsg. von Christa Steinle, Verlag Walther König Köln 2007, S.44